Die Presse : Künstlerin Shirin Neshat: „Ich bin eine langsam Reisende“ (by Almuth Spiegler)
Das Gefühl der Einsamkeit prägt ihr Leben und Werk, auch ihre langjährige Arbeit an der „Aida“ für die Salzburger Festspiele. Wir sprachen mit der US-iranischen Künstlerin Shirin Neshat über den frühen Verlust der Geborgenheit, das Leben im Exil, das sie nun akzeptiert hat. Und darüber, wie das Beten und die Poesie der islamischen Kultur ihr dabei Gelassenheit geben.
Vor sechs Jahren haben Sie angefangen, sich mit Verdis „Aida“ zu beschäftigen, dieselbe Länge, die Sie sonst für Ihre Spielfilme brauchen. Sind Sie jetzt fertig mit Aida?
Shirin Neshat: Es war meine Beschäftigung mit der Oper an sich, die so lange gedauert hat, es war neues Territorium. Meine erste „Aida“ 2017 war viel vorsichtiger als die heurige, die Arbeit mit Riccardo Muti als traditionellem Dirigenten und Anna Netrebko als Star hat mich ein wenig eingeschüchtert. 2022 ist es ganz anders – ich habe mehr Selbstvertrauen, habe eine Balance gefunden zwischen dem Stück und meinen künstlerischen Strategien. Vor allem aber ist auch die Geschichte politisch weitaus relevanter als damals.
In ein männlich dominiertes Gebiet vorzudringen, müsste Ihnen bekannt gewesen sein. Als iranische Frau waren Sie schon in der bildenden Kunst und im Film Pionierin.
Ich denke nicht viel darüber nach, aber die männliche Dominanz ist mir zweifellos bewusst, nachdem sich mein ganzes Werk ja um die weibliche Kraft dreht. Ich mag auf der einen Seite fragil und feminin wirken, bin auf der anderen aber stark und tough. Für Frauen bedarf es immer extra Schritte, bis sie akzeptiert, gar umarmt werden. Meine Herkunft aus dem Mittleren Osten macht das zusätzlich herausfordernd. Das war auch der Grund, warum meine Karriere im Gegensatz zu vielen westlichen Künstlern weniger steil hinaufging. Ich bin eine langsam Reisende.
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